Sat. Nov 23rd, 2024

The Haunted House. Horror Genre an Beispiel von „The Shining“.

 

Stanley Kubrick wurde schon in 1980, als seine Produktion The Shining[1] zum ersten Mal die Sonne gesehen hat, berühmt durch sein revolutionäres Vorgehen mit den konventionellen Elementen des Genres, durch die Verbindung elementaren Kriterien mit der des Arthousekinos[2]. Seine Leidenschaft für Arthouse spiegelt sich bemerkenswert in der Bildung von „starken Charakteren“ wieder, die sich in konfuse Narrationen gefangen finden.

 

Außerdem, die ästhetische Konstruktion bewirkt ein aktives Mitmachen der Zuschauer*Innen, indem die Filme politische, gesellschaftliche und allgemein moralische Fragen subversiv bearbeiten[3]. Folglich wurde, und es ist noch, schwierig The Shining als Teil eines präzisen Genres zu definieren und somit wird der Film immer von starken Debatten und Auseinandersetzungen begleitet.

Selbst der Schriftsteller Stephen King, der „Erfinder“ des Projektes, dessen Buch verfilmt wurde, betonte sich als skeptisch und wollte sich von der Produktion distanzieren, denn, laut ihm, wurde das übernatürliche Thema der Gebäude als Dämon, von dem Bösen der Menschen ersetzt. Kubrick wurde dadurch von dem originellen Werk fast befreit und sein Film wurde als einem eigenständigen Meisterwerk betrachtet.

 

Warum ist es aber so schwierig, The Shining als konventionellen Horror Film zu kategorisieren? Die hervorgerufenen Emotionen sind doch Angst und Spannung[4], Gefühle der Unheimlichkeit, hauptsächlich wegen der Dominanz der von Sigmund Freud, in seinem Werk Das Unheimliche[5] erläuterte Kriterien. Trotzdem ist diese Spannung von einer Erneuerung definiert und die bekannten Konventionen werden von radikalen Irritationen erschüttert, sodass die angsterregende, doch vertraute „jump“ illusorisch von deren Schutzhülle erlöst werden. Es gibt fast keine jump-scares in The Shining. Die omnipräsente Gefahr spürt man von Anfang an und begleitet die Zuschauer*Innen auch über das Ende hinaus; sie bleibt nicht mehr im Kinosaal, wo man, trotz der Dunkelheit und dem, laut Jean Baudry temporale Verlust des Egos, tragische Erfahrungen erleben kann, ohne tatsächlich physisch verletzt zu sein. Das als natürlich wirkende, unsichtbare Kameraauge ersetzt unsere eigene Perspektive durch POV und folgt dem Auto der Familie durch die einsame Umgebung aus dem Himmel, bis die „anthropomorphische Fassade“ erscheint, so Benry Curtis[6]. Die bedrohliche Musik leitet die verwirrende Stimmung ein.

Man kann sich die Frage stellen, wer betrachtet eigentlich? Wird man nur Appel an Zuschauer*Innen gemacht oder symbolisiert das totalitäre Auge der Regisseur/ das Hotel/ die Gespenster der Zeit?

Die laut Ursula Vossen „katharsische Äußerung grundlegender Ängste“[7] wird so wirkungsvoll im Gedächtnis gewurzelt, dass die Grenze zwischen Realität und Fiktion sich vermindert und die zwei Ebenen  sich zwischen einander überlappen. Das dargestellte Gebäude, so hofft zumindest Jack, ist eine Zuflucht, wo er sich von äußerliche Einflüssen und patriarchale Krisen ablösen kann. Diese wird zum Ort der Manifestation psychotischer Erschütterungen, so Curtis. Außerdem, die zwei Dimensionen, die äußerliche, mit gesellschaftlichen Problemen wie Alkohol und Ausübung der Gewalt, und die innerliche der Gebäude mit historischen Komponenten- die des Genozids- koexistieren zwischen Fiktion und Realität und, meistens überwiegt die zweite, beide aber kontrollieren sich gegenseitig.

Bleibt dann der Film noch eine Art Zuflucht für ZuschauerInnen selbst?

Kubrick’s Detailgenauigkeit und die Benützung einer realitätsnahen Ästhetik, wie auch die Ablehnung von cutting und die Favorisierung der inneren Montage fordern eine direkte Mitarbeit für die Entschlüsselung der Symbolik, aber auch eine gewisse Freiheit, stimuliert von der Vielfalt der Interpretationsmöglichkeiten.

Paradoxerweise wird Kubrick’s Overlook Hotel von der realistischen Materialität erlöst, indem es eine aktive[8] Rolle in die Entwicklung der Geschichte kriegt und sich mit der Figur des Vaters, Jack Torrance, von Jack Nicholson dargestellt, identifiziert. Norbert Stresau redet über die Bedeutung der „Dynamisierung des Raumes“[9], durch die von Garret Brown erfundene „körperlose steadycamera“[10], während man Michael Gröper diese Technik, die an Travelling Filmen erinnert, als eine „Verzerrung des menschlichen Horizonts“[11] definiert. Die Kamera ermöglicht ein Gefühl der Unendlichkeit, eine totale Abschaffung der Realität, die aber nur zeitlich ist, denn immer wieder erscheinen optische Enttäuschungen die, denkt man an André Bazins Photographie- und Filmtheorie, die Betrachter*Innen wieder an die irdische Welt binden.

Der junge Danny Torrance und sein Rad werden auf labyrinthischen Fluren lautlos begleitet und man erwartet die Erscheinung schockierender Figuren nach alle Ecken, Kubrick spielt aber mit den für Zuschauer*Innen schon bewussten Tricks und verstärkt die Intensität, als die Zwillinge endlich erscheinen. Das Labyrinth wird ständig verändert; es hat eine eigene innere Logik.

Man denkt als ZuschauerInnen, wie auch als Figur, man sei in Kontrolle des eigenen Schicksaals und, Danny’s Visionen ermöglichen, eine Perspektive auf die Zukunft ermögliche, man weißt schon von vorher, was passieren wird, alles ist aber eine Enttäuschung. Die Narration entwickelt sich wie in einem Traum, in eine isolierte, sich in Natur platzierte Umgebung, mit Mangel an Gespräch und Verständnis mit dominierender Stillle und langsamen Bewegungen.

Steven Jay Schneider,[12] nach Freud, verbindet diese Erscheinung mit dem Motiv des Doppelgängers, erinnernd an die Furcht vor Tod und an die Spaltung der Persönlichkeit. Ebenso unheimlich erscheint auch die Wiederholung von Ereignissen der Vergangenheit. Die Gegenwart beweist sich als eine Spiegelung der Geschichte, man geht auf die Spuren der Gespenster, durch Leben, entweder in Richtung Tod oder Ewigkeit. Das Vorherrschen der Spiegel und Fotos der ehemaligen Kunden machen die Frage der Zeit, deren Mumifizierung, und die der Wiederholbarkeit zu Themen.

 

Als Ursache für Trauma beweist sich die Tatsache, dass die Unvorhersehbarkeit des Hotels von der der Figuren dominiert wird, manifestiert durch Jacks „spontanen“, ambivalente Äußerungen[13]. Die labyrinthische Konstruktion der Gebäude und die lange Kamerafahrt[14] kann als eine Spiegelung der Psyche des Charakters wahrgenommen werden, wie auch als Motiv des Films[15].

Die Atmosphäre ist genauso klaustrophobisch und trügerisch[16] ,wie die architektonische Konstruktion und die Sinnlosigkeit ist omnipotent.

Wie Newman betont[17] die Gespensterhäuser sind von tragischen Vergangenheiten geprägt, und Overlook macht keine Ausnahme. Konspirationen von bürgerlichen Kultgruppen und Kannibalismus, wie auch der Bau der Gebäude auf ehemaligen Indianer Friedhof,  als Folge des Genozids, kreieren böswillige Gespenster, die wieder eine Körperlichkeit erhalten und die nicht nur mit Jack interagieren, sondern auch mit dessen Frau und Kind, sodass man gar nicht mehr zwischen realen Figuren und Produktionen seines Gehirns differenzieren kann. Die Symbolik der vergangenen Zeiten ist auf die gesamte räumliche Konstruktion gerichtett und erweckt intellektuelle Verbindungen und Assoziationen mit wahren, nicht diegetischen Ereignissen, dadurch auch die Bewilligung des Nachdenkens. Paradoxerweise macht der Regisseur Appel an eine starke, prominente Beleuchtung[18], was atypisch für Gespensterfilmen ist, vielleicht auch um zu beweisen, dass trotz des Geheimnisvollen und Subersiven, man möchte nichts verstecken. Möchte man sich intensiver mit der Symbolik beschäftigen, schaut man am Besten Room 237[19].

Handelt es sich metaphorisch um einen Versuch, in das von Freud thematisierte Unbewusste des Charakters, nämlich Jack, einzudringen? Inwiefern kann man das menschliche Psyche durch technische Mittel darstellen?

Laut Freud beeinflussen die verdrängten Emotionen, die „Traumata der Kindheit“, immer wieder das Leben der Erwachsenen, seien sie nicht, durch Psychoanalyse und Hypnose entdeckt und vermindert. Und wenn sie sich in das Unterbewusste sammeln und die Spannung so stark sein wird, fließen sie raus, wie Blut aus dem Aufzug[20]. In  ähnlicher Weise, bezüglich auf die Tatsache, dass das, was man glaubt zu sehen, eigentlich nicht wahr ist, kann man sich an Lacans Theorie des Reales denken.

Bibliographie

  • Allen, G, „The Unempty Wasps' Nest: Kubrick's The Shining, Adaptation, Chance, Interpretation“, in: Adaptation-The Journal Of Literature On Screen Studies 8/3, https://academic-oup-com.uaccess.univie.ac.at/adaptation/article/8/3/361/2274360 2015, 10.01.2019, S. 361-371.
  • Anastasova, Maria, „Patterns of creating suspense in Stephen King's The Shining“, in: English Studies at NBU, Directory of Open Access Journals (DOAJ), https://doaj.org/article/0da44160734f4d2486476f690f988ae3 2016, 08.01.2019, S. 43-58.
  • Bazin, André, „Ontologie des fotografischen Bildes“, in: André Bazin. Was ist Film?, hrsg. v. Robert Fischer, Berlin: Alexander Verlag 2004 (Orig. André Bazin, Quest-ce que lé cinema ?, Paris: Les Éditions du Cerf 1975).
  • Bazin, André, „The Evolution, of the Language of Cinema“, in: The film theory reader : debates and arguments, hrsg. v. Marc Furstenau, London: Routledge 1 2010, S. 95-103, S. 100.
  • Benevento, Branon, „When Caretaking Goes Wrong: Maintenance, Management, and the Horrific Corporation in Stephen King's The Shining“, in: The Journal ofPopular Culture 50/4, Wiley Online Library, https://doi-org.uaccess.univie.ac.at/10.1111/jpcu.12573 2017, 11.01.2019, S. 723-742.
  • Castle, Alison (Hg.), The Stanley Kubrick Archive, New York: TASCHEN 2005.
  • Cocks, Geoffrey, „ Death by Typewriter“, in: Depth of Field. Stanley Kubrick,
  • Curtis, Benry, Dark Places. The Haunted House in Film, London : Reaktion Books 2008.
  • Derry, Charles, Dark Dreams 2.0. A Psychological History of the Modern Horror Film from the1950’s to the 21st Century, Jafferson, NC [u.a.] : Mcfarland 2009.
  • Fellner, Markus, Psycho movie : zur Konstruktion psychischer Störung im Spielfilm, Bielefeld : Transcript 2006.
  • Film, and the Usese of History hrsg. v. Geoffrey Cocks/ James Diedrick/ Glenn
  • Freud, Sigmund, The Uncanny, 1919, http://web.mit.edu/allanmc/www/freud1.pdf.
  • Hammer, Julia, „Die dualistische Bildarchitektur Stanley Kubricks : zur Ästhetikfilmischer Raum- und Zeitkonstruktion in den Filmen "2001: A Space Odyssey","A Clockwork Orange" und "The Shining"“, Dipl., Universität Wien, Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät, 2015
  • Hildebrand, Jens, „The Shining“- Eine Filmanalyse, Merzenich: Warped Tomato Publishing 2013.
  • https://www.hdaustria.at/blog/was-zeichnet-einen-arthouse-film-aus/
  • Newman, Kim, Nightmare Movies: Horror On Screen Since The 1960s, London [u.a.] : Bloomsbury 2011.
  • Odell, Colin/ Le Blanc, Michelle, Horror Films, Harpenden : Kamera Books 2007.
  • Perusek, Madison, Wisconsin: The University of Wisconsin Press 2006, S. 185-213.
  • Schneider, Steven Jay, Horror Film and Psychoanalysis. Freud’s Worst Nightmare, Cambridge [u.a.] : Cambridge Univ. Press 2004
  • Shiloh, Ilana, The double, the labyrinth and the locked room : metaphors of paradox in crime fiction and film, New York, NY [u.a.] : Lang ,2011.
  • Stresau, Nobert, Der Horror - Film. Von Dracula zum Zombie- Schocker, München: Heyne Verlag 1987.
  • Vossen, Ursula, Filmgenres: Horrorfilm, Stuttgart : Reclam 2004.
  • Worland, Rick, The Horror Film: An Introduction, Malden, Mass.: Blackwell

 

 

[1] The Shining, USA 1980, R: Stanley Kubrick

[2] Derry, Charles, Dark Dreams 2.0. A Psychological History of the Modern Horror Film from the1950’s to the 21st Century, S. 206.

[3] https://www.hdaustria.at/blog/was-zeichnet-einen-arthouse-film-aus/

[4]

[5] Freud, Sigmund, The Uncanny, 1919, http://web.mit.edu/allanmc/www/freud1.pdf.

[6] Curtis, Benry, dark places, S. 31.

[7] Vossen, Ursula, Filmgenres Horrorfilm, S. 14

[8] Fellner, Markus, Psycho Movie, S. 234

[9] Stresau, Nobert, Der Horror - Film. Von Dracula zum Zombie- Schocker, München: Heyne Verlag 1987S. 16

[10] S. 23

[11] S. 263

[12] Schneider, Steven Jay, Horror Film and Psychoanalysis. Freud’s Worst Nightmare, S. 91

[13] S. 265

[14] Fellner, Markus, Psycho Movie, S. 233

[15] S. 268

[16] S. 265

[17] Nightmare Movies, S. 11

[18] The Horror Film: An Introduction, S. 103.

[19] Room 237, USA 2012, R: Rodney Ascher.

[20] ebd.